Publius Ovidius Naso

Amores - Interpretationen

I. carmen II 12

II. CARMEN III 10

Ars amatoria - Interpretation

Prooemium

 

Metamorphosen - Interpretationen

I. Die vier Weltalter

II. Die lykischen Bauern

III. Daedalus und Icarus

IV. Orpheus und Eurydike


Amores

carmen II 12 - Interpretation in drei Versionen

Version I

Ovid verfasste in den Jahren 19-15 v. Chr. die Amores, eine Sammlung erotischer Gedichte. Zuerst bestanden die Amores aus fünf Büchern, später aber kürzte Ovid sie auf drei Bücher. Dies beschreibt er im Proömium (fueramus quinque libelli, tres sumus). Wie auch bei den anderen Gedichten der Amores handelt es sich bei dem zwölften Gedicht des zweiten Buches der Amores um eine Liebeselegie. Dies erkennt man daran, dass es die charakteristischen Merkmale einer Liebeselegie aufweist. Am auffälligsten ist wohl das Metrum, welches ein elegisches Distichon ist. Insgesamt besteht das Gedicht aus 14 Distichen, folglich also aus 28 Versen. Aber auch inhaltlich greift Ovid zwei für Liebeselegien typische Themen auf und zwar den „Kriegsdienst der Liebe“ („militia amoris“) (V. 1-8; passim) und die Kritik an gesellschaftlichen Werten und Normen (V. 1-2 und V. 5-6). Des Weiteren ist in dieser Liebeselegie subjektive Erotik enthalten (z. B. V. 2: in nostro est, ecce, Corinna sinu). Diese ist für römische Liebeselegien typisch. Diese subjektive Erotik verdeutlicht er durch ein Hyperbaton. Corinna liegt in (zwischen) seinen Armen, sowie ihr Name zwischen nostro est und sinu liegt. Der Geliebten in der Liebeselegie ist der Name Corinna gegeben worden. Die meisten Leser waren wohl gebildete römische Bürger der Oberschicht, die er mit seiner gesellschaftlichen Kritik erreichen wollte. Diese findet man auch direkt im ersten Sinnabschnitt des Textes, der sich insgesamt in fünf solcher Abschnitte einteilen lässt. Im ersten Teil von Vers 1-8 erzählt Ovid uns von der Eroberung seiner geliebten Corinna. Er bezeichnet seinen Sieg als eines Triumphes würdig (Ite triumphales circum mea tempora laurus, Vers 1). Von Vers 9 an vergleicht er dann bis Vers 16 den trojanischen Krieg mit seinem Kampf um Corinna und deutet darauf hin, dass er, im Gegensatz zu den Eroberern Trojas, ganz alleine seine "Eroberung" vollzogen hat (ipse eques, ipse pedes, signifer ipse fui, Vers 14). Im dritten Teil des Gedichtes (Vers 17-26) taucht Ovid in die antike Sagenwelt ein. Durch die Schilderung einiger mythischer Konflikte, wie zum Beispiel dem Raub der Helena (rapta Tyndaris, Vers 18), dem Kampf zwischen den Lapithen und den Kentauren (silvestris Lapithas populumque biformem, Vers 19), dem Krieg zwischen den Rutulern und den Trojanern (Troianos [...] iuste Latine, Vers 21/22) und dem Raub der Sabinerinnen (Romanis [...] urbe recenti, Vers 23), welche alle auf Grund von Frauen begonnen wurden und blutig endeten, gibt er den Frauen an vielen Streitigkeiten die Schuld. Auch aus dem Tierreich bringt er ein Beispiel, nämlich, dass weibliche Rinder die Stiere zum Kämpfen bringen (spectatrix animos ipsa iuvenca dabat, Vers 25/26). Im End-Distichon drückt er dann aus, dass er, durch Cupido gezwungen um Frauen zu kämpfen, dies jedoch ohne Gewalt tun möchte (Me quoque, qui multos, sed me sine caede, Cupido iussit militiae signa movere suae., Vers 27/28).

Nun kann man folgende Fragen an den Text stellen:

Was ist die Intention des Autors und mit welchen Mitteln unterstützt und verdeutlicht er diese Intention?

Kommen wir auf diese Fragen zu sprechen. Der Autor möchte zum Ausdruck bringen, dass es im Leben wichtigeres gibt als Krieg, nämlich die Liebe. Man muss nur aufpassen, dass aus dem Kampf um eine Frau kein Krieg entsteht. Um dies hervorzuheben gibt er drei Beispiele für Konflikte die auf Grund von Frauen begonnen wurden. Diese hebt er durch eine Anapher hervor (V. 19, 21, 23: femina). Als erstes Beispiele für einen solchen Konflikt führt er den Kampf zwischen den Kentauren, welches Halbpferde sind, die auf dem Berg Pelion in Thessalien lebten, und den Lapithen an. Die Kentauren machten sich bei der Hochzeit von der Lapthin Hippodamia und Peirithoos, vom Wein angetrunken, über die Lapithen-Frauen her und wollten sogar die Braut entführen. Bei dem zweiten Beispiel geht es um den Krieg zwischen Rutulern und Trojanern. In Latium herrschten der König Latinus und seine Frau Amata. Sie hatten eine Tochter namens Lavinia, welche mit Turnus, dem Herrscher der Rutuler, verlobt war. Aeneas kam mit seinen Trojanern nach Latium, und weil das Orakel Latinus sagte, dass Lavinia einen Fremden heiraten soll und Aeneas geeignet war, vermählte Latinus seine Tochter mit Aeneas. Als drittes und letztes Beispiel führt Ovid den Raub der Sabinerinnen an. Die Römer raubten unter Romulus während eines Festes die Frauen der Sabiner. Zur Unterstützung dieser These benutzt er einige stilistische Mittel, wobei er allerdings die typischen Merkmale der römischen Liebeselegie nicht außer Acht lässt. Zuerst kommt er auf den „Kriegsdienst der Liebe“ („militia amoris“) zu sprechen. Er vergleicht seine „Eroberung“ von Corinna mit einem militärischen Sieg. Das drückt er durch die Stilmittel Asyndeton und Klimax (Steigerung, in diesem Fall der Silbenzahl) aus (z. B. V. 2-4: Corinna …, quam vir, quam custos, quam ianua firma, tot hostes servabant.). Doch er hat seinen Erfolg ohne Blutvergießen erreicht (V. 6: sanguine praeda caret). Diese Aussage verstärkt er dadurch, dass er eine Litotes verwendet. Auch betont er, dass er diesen Erfolg ganz alleine erreichte. Um diese Aussage auch literarisch zu verstärken greift er zu vielen Stilmitteln, z. B. in Vers 14 ist ein Asyndeton, ein Parallelismus, ein Chiasmus und eine Anapher vorhanden (V. 14: Ipse eques, ipse pedes, signifer ipse fui). Hieraus ergibt sich dann auch die Kritik an der Gesellschaft. Er ist der Meinung, dass sein Erfolg (Triumph) in der Liebe eines Triumphzuges würdig sei (V. 5: victoria digna triumpho).

Die alten Römer aber definierten einen Triumph anders:

Triumph (Erfolg), lat. triumphus Der Triumph (triumphus) war im alten Rom der gefeierte Einzug eines siegreichen Feldherren (der zuvor zum Imperator ausgerufen wurde) in die Stadt Rom und zugleich das Größte, was ein römischer Bürger erreichen konnte. Erst wurde mit dem Senat vor der Stadt verhandelt, stimmte dieser zu kam es zu einer großen „Parade“ durch die Stadt, die mit einem Opfer an die Götter endete. (mehr)

Ovid übt nun Kritik daran, dass die ganze römische Gesellschaft auf Krieg ausgelegt ist, und nur Personen, die große militärische Erfolge feiern konnten, großen Ruhm erlangten und öffentlich geehrt wurden.

 


Triumphus

Der Triumph war eine Siegesfeier. Der Imperator hatte mit seinen siegreichen Legionen bis zum Tage des Triumphes außerhalb des Promeriums zu lagern. Dort verhandelte er mit dem Senat, der den Triumph in der Regel erst gewähren musste, über den Ablauf des Einzugs. Der Einzug erfolgte meist vom Marsfeld aus durch die Porta Triumphalis, über das Forum Boarium, den Circus Maximus und das Forum Romanum zum Kapitol. Dort brachte der Triumphator ein Opfer vor dem Tempel des Jupiter Optimus Maximus dar. Der Triumphzug war wie folgt unterteilt: An der Spitze des Zuges schritten die Senatoren, Magistrate und die Musiker, darauf folgten Darstellungen des Sieges und im Hauptteil dann die Legionen. Dem Volk wurden dabei die Kriegsbeute sowie geschmückte Opfertiere und Ehrengaben an den Imperator vorgeführt. Am Ende fuhr dann der Imperator, der wie Jupiter gekleidet war, auf einer Quadriga. Ihm schritten Liktoren mit Lorbeer umwundenen Ruten voraus. Der Triumph war demnach ein altes Ritual, in dem die siegreichen Feldherren die Gelübde, die sie den Göttern gegeben hatten, einlösten, sowie sich und das Heer durch den Kultdienst reinigten und dem Jupiter opferten.

Verfasser: Jan Salewski, Thomas Uhlemann, Florian Bahr, Daniel Leicht


carmen II 12 - Interpretation

Version II

Bei dieser Interpretation beziehen wir uns auf das Gedicht Amores II 12 des Dichters Ovid, welches in den Jahren 19-15 v. Chr. verfasst wurde. Er richtet mit diesen Gedichten aus einer Sammlung erotischer Elegie an den gebildeten römischen Bürger der Oberschicht. Im Proömium schreibt er, dass die Amores einst aus fünf Bücher bestanden, später auf aber drei Bücher gekürzt wurden (fueramus quinque libelli, tres sumus). Es handelt sich bei jedem dieser Bücher um eine Sammlung von Liebeselegien, was man an den charakteristischen Merkmalen dieser erkennen kann. Beim 12. Gedicht des zweiten Buches sind die Merkmale des Elegischen Distichons, der „militia amoris“ (1-9, passim), der subjektiven Erotik (Vers 2: in nostro est, ecce, Corinna sinu ) und der gesellschaftlichen Kritik (passim) am auffälligsten. Diese Gedicht besteht aus 28 Versen (14 Distichen) und lässt dich grob in fünf Sinnabschnitte einteilen. Im ersten Teil (Vers 1-8) berichtet Ovid, wie er seine geliebte Corinna erobert, was er als einem Triumph würdig bezeichnet (Vers 1: Ite triumphales circum mea tempora laurus). Im zweiten Teil des Gedichtes vergleicht er die Eroberung Trojas, mit seiner Eroberung Corinnas, welche er allein vollzogen habe (Vers 14: ipse eques, ipse pedes, signifer ipse fui). Im letzten Teil des Gedichtes, der in Vers 17 beginnt, nennt er viele Beispiele aus der antiken Sagenwelt, welche von Konflikten berichten, die allesamt wegen Frauen anfingen und blutig endeten. Wie zum Beispiel vom Raub der Helena (Vers 18: rapta Tyndaris ), dem Kampf zwischen den Lapithen und den Kentauren (Vers 19: silvestris Lapithas populumque biformem), dem Krieg zwischen den Rutulern und den Trojanern (Verse 21-22: Troianos [...] iuste Latine) und dem Raub der Sabinerinnen (Romanis [ ...] urbe recenti, Vers 23). In den Versen 25-26 nennt er ein Beispiel aus der Tierwelt, dass die Kühe die Stiere zum Kämpfen bringen (spectatrix animos ipsa iuvenca dabat). Im letzten Distichon schreibt er dass er zum Kampf gegen die Frauen von Cupido gezwungen wurde, dies jedoch ohne Gewalt tun möchte ( Vers 27: Me quoque, qui multos, sed me sine caede, Cupido iussit militiae signa movere suae.).

Was will der Autor mit dieser Liebeselegie ausdrücken?

Gleich im ersten Vers beginnt er mit seiner Kritik an der römischen Gesellschaft, welche die Tugenden Mut, Ehre und Erfolg allem voranstellte. Mit dem Satz Ite trimphales circum mea tempora laurus stellt er die Eroberung seiner Geliebten Corinna als eines Triumphes würdig dar. Dazu muss man wissen, dass ein Triumph für einen konservativen Römer der höchste gesellschaftliche Erfolg war, der nur einem siegreichen Feldherrn nach gewonnener Schlacht zustand und auch erst vom Senat genehmigt werden musste: Der Triumphator fuhr dann gekleidet wie Jupiter durch die Stadt, die Triumphzug endet am Tempel des Jupiter. Um die Würdigkeit seines Triumphes zu verdeutlichen, zählt er in Vers 3 die Hindernisse auf, welche er überwunden hat, um seine Geliebte zu erobern: Quam vir, quam ianua firma, tot hostes servabant.

Verfasser: Pascal Bredenbröker, Oscar Bley, David Worm


carmen II 12 - Interpretation

Version III

Ovid verfasste in den Jahren 19-15 v. Chr. die Amores, eine Sammlung subjektiv erotischer Gedichte, die sich an die gebildete römische Oberschicht richtet. Diese bestanden zuerst aus fünf Büchern, die er später auf drei kürzte, was auch im Proömium beschrieben wird (fueramus quinque libelli, tres sumus). Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine Liebeselegie, was an den charakteristischen Merkmalen zu erkennen ist:

Das Gedicht, welches aus 28 Versen besteht, die sich aus 14 Distichen zusammensetzen, handelt von der Gleichsetzung der Eroberung Corinnas mit einem Triumphzug. Es lässt sich grob in vier Sinnabschnitte einteilen:

Die V. 1-8 beschreiben die Eroberung Corinnas, die Ovid mit einem Triumph gleichsetzt (V. 1: Ite triumphales circum mea tempora laurus!), der die höchste Ehre war, die ein römischer Feldherr erhalten konnte. Im nächsten Abschnitt (V. 9-16) vergleicht Ovid Corinnas Eroberung mit dem trojanischen Krieg, wobei er seinen Erfolg als höher ansieht, da er sein Ziel im Gegensatz zu den Atriden alleine erreicht hat (ipse eques, ipse pedes, signifer ipse fui ®zusätzlich hervorgehoben durch den Chiasmus bei ipse pedes, signifer ipse fui, den Parallelismus bei ipse eques, ipse pedes und das Asyndeton). Der dritte Abschnitt (V. 17-26) beschreibt, dass Frauen schon häufig Ursache für Konflikte (Kriege) waren. Dieser Abschnitt wird auch durch eine Anapher (femina) begrenzt. Hierbei führt er die Hochzeit der Hippodamia an (V. 19-20: Femina silvestris Lapithas populumque biformem turpiter adposito vertit in arma mero), bei der es zu einem Konflikt zwischen den Kentauren und Lapithen kam. Als weitere Beispiele wählt er den Krieg zwischen dem Rutulerkönig Turnus und dem Trojaner Aeneas um Lavinia (V. 21-22: femina troianos iterum nova bella movere inpulit regno, iuste Latine, tuo), die dem Aeneas versprochen wurde, obwohl sie bereits mit Turnus verlobt war, sowie den Raub der Sabinerinnen (V. 23-24: femina Romanis etiamnunc urbe recenti inmisit soceros armaque saeva dedit.), die nach einem Fest von den Römern entführt wurden. Auch aus dem Tierreich wählt er ein Beispiel, nämlich den Kampf zweier Stiere um eine Kuh (V. 25-26: Vidi ego pro nivea pugnantes coniuge tauros; spectatrix animos ipsa iuvenca dabat.). Das letzte Distichon stellt einen eigenen Abschnitt dar, in dem Ovid betont, dass er auf Befehl des römischen Liebesgottes Cupido gehandelt hat (Cupido iussit militiae signa movere suae).

Bei diesem Text stellt sich die Frage, was der Autor Ovid damit aussagen will.

Er will damit wohl vor allem Kritik an der Gesellschaft üben, in der militärische Erfolge einen hohen Stellenwert haben, indem er die Eroberung seiner Geliebten über militärische Erfolge stellt (V. 5: victoria digna triumpho). Außerdem zieht er eine friedliche Konfliktlösung einem blutigen Konflikt vor (V. 6: sanguine praeda caret). Um seine Aussagen zu verdeutlichen, verwendet er zahlreiche Stilmittel. Auffällig ist z. B. die Verbindung des zweiten und dritten Abschnittes durch die Anapher nec in den Versen 15 und 17. Sein Durchhaltevermögen verdeutlicht er durch eine Klimax (V. 2-4: quam vir, quam custos, quam ianua firma, tot hostes servabant“). Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Ovid die Liebe dem Kriegsdienst vorzieht, und für eine friedliche Konfliktlösung steht.

Verfasser: Julia Klare, Lynn Völker, Franziska Wenzel, Miriam Schlick


Amores

CARMEN III 10 - Interpretation


Ars amatoria

Prooemium - Interpretation


Metamorphosen

Die vier Weltalter (Ov. met. I 89-150) - Interpretation

Das goldene Zeitalter (Ov. met. I 89-112)

 

In den Versen 89-112 des Gedichts „Die vier Weltalter“ aus der Sammlung „Metamorphosen“ beschreibt Ovid das goldene Zeitalter. Er zählt dabei einige Dinge auf, die es damals noch nicht gab: Gesetze („lege“, 90), Schifffahrt (94-96), Krieg („militis usu“, 99-100).

Was als erstes auffällt, ist die häufige Verwendung von Verneinungen: non, sine, nec, nondum. Von allen diesen Worten ist das nondum das akkurateste, denn Ovid zählt ja Dinge auf, die es noch nicht gab (und demzufolge später, also zu Ovids Zeit, geben wird). Die häufigen Verneinungen drücken also insgesamt aus, dass es gewisse Dinge noch nicht gab. Aber das ist keinesfalls schlecht; die genannten Dinge fehlen nicht etwa aus Rückständigkeit, sondern weil sie nicht gebraucht werden: Keine Kriminalität – kein Richter, kein Krieg/Handel – keine Schifffahrt.

Im Kontrast zu den Verneinungen in den ersten Versen stehen die einzigen beiden Verse ohne Verneinung (93, 100). Im ersten dieser beiden Verse sagt Ovid, dass die Menschen ohne Richter sicher waren (auch wenn das „sine“ eine Verneinung ist, macht das „tuti“ (=sicher) klar, dass dies ein guter Zustand war). Im zweiten wird das friedliche Leben der Völker damals beschrieben: „otia gentes peragebant“. Die Verse ohne Verneinung befinden sich jeweils am Ende eines Abschnittes, was ihnen besonderes Gewicht verleiht.

In den Versen 101-112 beschreibt Ovid weiterhin das goldene Zeitalter, fokussiert sich jedoch auf eine andere Sache: Ovid erklärt, dass die Natur den Menschen freiwillig Nahrung gibt („per se dabat omnia tellus“, 102). Diese Nahrung ist jedoch zu Ovids Zeit recht teuer; also gab die Natur den Menschen im goldenen Zeitalter freiwillig Luxusgüter, z. B. den Honig („mella“, 112). Besonders hervorgehoben ist hier der Aspekt der Freiwilligkeit, der durch die Ausdrücke „immunis“ (101), „intacta“ (101), „nec saucia“ (102) und „per se“ (102) definiert wird, später auch durch „sine semine“ (108) und „nec renovatus ager“ (110). Der andere Aspekt, die Nahrung, wird z. B. durch „omnia“ (steht hier für die Nahrung, 102), „arbuteos fetus montanaque fraga“ ((Berg-)Erdbeeren, 104), „corna(que)“ (Kornelkirschen, 105), „mora“ (Brombeeren, 105) und „glandes“ (Eicheln, 106) ausgedrückt. Was Ovid damit versucht zu sagen, ist, dass Menschen im goldenen Zeitalter nicht arbeiten mussten, weil es nichts zu erwerben gab. Dadurch entsteht auch ein Bezug zum vorherigen Teil, denn wenn jeder alles hat, gibt es keinen Neid und keine Gier und somit auch keinen Krieg.

Insgesamt sieht Ovid das goldene Zeitalter sehr positiv. Es gab keinerlei Probleme, die Menschen lebten glücklich und ohne zu arbeiten. Interessanterweise weist das goldene Zeitalter Ähnlichkeiten mit dem „utopischen Kommunismus“ auf; es gibt keinen Besitz, keine Gier o. ä. Anscheinend trug der antike Mensch ähnliche utopische Sehnsüchte in sich wie der Mensch der Neuzeit.

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Das silberne Zeitalter (Ov. met. I 113-124)

Der zweite Teil des Textes „Die vier Weltalter“ handelt vom „Silbernen Zeitalter“. Diesen kann man in drei Abschnitte gliedern. In dem ersten Abschnitt geht es um den Wert des silbernen Zeitalters. Es ist weniger wert als das goldene, dafür aber kostbarer als das des schimmernden Erzes (Vers 114-115: auro deterior, fulvo pretiosior aere). Der zweite Abschnitt handelt von der Unterteilung des Jahres in die vier Jahreszeiten: Frühling, Sommer, Herbst und Winter (Vers 118: exegit quattuor annum). Diese Unterteilung verändert das unbeschwerliche Leben wie man es aus dem goldenen Zeitalter her kennt. Das goldene Zeitalter war nämlich nur vom „Frühling“ geprägt. Da also das ganze Jahr über die gleichen Verhältnisse herrschten, hatten die Menschen zum Beispiel keine Probleme mit ihrer Arbeit auf dem Feld. In dem letzten Abschnitt werden die Folgen und Hilfsmittel des neuen, aber zugleich auch beschwerlicheren Lebens der Menschen verdeutlicht. Zum Beispiel gibt die Erde jetzt nicht mehr alles ohne Zwang (Vers 102: per se dabat omnia tellus), sondern sie muss nun, aufgrund der verschiedenen Jahreszeiten, gepflegt und selber bebaut werden (Vers 123: Semina Cerealia obruta sunt). Höhlen werden als Häuser benutzt (Vers 121: domus antra fuerunt) und Jungstiere werden zum ersten Mal gezwungen auf dem Feld zu arbeiten (Vers 124: iuvenci pressi iugo). Das „tum primum“, welches alle Folge-Sätze einleitet, macht somit die Veränderungen im silbernen Zeitalter deutlich (Verse 119, 121, 123).

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Das eherne und das eiserne Zeitalter (Ov. met. I 125-150)

Das eherne und eiserne Zeitalter werden von Gewalt bestimmt (V. 125-131; 126: saevior ingeniis). Alle Menschen schützen „ihr“ Eigentum, ihren Besitz (V. 126, ad horrida promptior arma) - im Gegensatz zu dem „aurea aetas“ - dem goldenem Zeitalter, in dem es keinen Besitz gab, sondern alles allen gehörte und es alles im Überfluss gab (V. 111-112: flumina iam lactis, iam flumina nectaris ibant, flavaque de viridi stillabant ilice mella). Der ewige Frühling ist vorbei. Im goldenen Zeitalter wurde Treue ohne Gesetze gehalten (V. 89: sponte sua, sine lege fidem rectumque colebat). Im ehernen und eisernen Zeitalter treten an die Stelle der Treue List, Betrug und Habgier (V. 130-131: in quorum subiere locum fraudesque dolique insidiaeque et vis et amor sceleratis habendi). Man erobert die Welt und betreibt Handel (V. 132-134; 132, vela dabat ventis - nec adhuc bene noverat illos - navita). Pinien, die im goldenen Zeitalter noch unberührt auf hohen Bergen standen (V. 94-95: nondum caesa suis ... montibus in liquidas pinus descenderat undas), tummeln sich jetzt als Schiffe auf den Wogen. Die Pinien sind daher das Symbol für die Seefahrt (V. 133-134: diu steterant monitbus altis / fluctibus ignotis insultavere carinae). In den Versen 135-150 geht es darum, dass die Menschen nicht mehr zufrieden waren mit den zum Leben notwendigen Dingen (wie Nahrungsmitteln), die die Erde freiwillig hergibt (Vers 138: poscebatur). Sie dringen zu dem vor, was vor ihnen verborgen sein sollte [Personifikation: viscera terrae]. Spätestens als die Menschen das Gold finden (Vers 141: nocens ferrum ferroque [Iteratio] nocentius [Klimax zu nocens] aurum) wollen sie immer mehr besitzen (Vers 140: effodiuntur opes, inritamenta malorum). Die Habgier [aurum-Metapher] treibt sie zu den Waffen [ferrum-Metapher] und lässt Krieg entstehen (Vers: 141/2: aurum prodierat, prodit bellum - Personifikation im Chiasmus). Durch diesen Krieg ist niemand mehr vor seinen Vertrauten sicher. Die, die früher zusammen gehörten, stehen nun feindlich zueinander (Vers: 144-148: Vivitur ex rapto: non hospes ab hospite tutus, non socer a genero; fratrum quoque gratia rara est. Imminet exitio vir coniugis, illa mariti; lurida terribiles miscent aconita novercae; filius ante diem patrios inquirit in annos). Selbst die Götter haben die Hoffnung verloren und verlassen die Erde (Vers 149/50: Victa iacet Pietas ... Virgo Astraea [Göttin der Gerechtigkeit] terras reliquit.). Alles ist ganz anders als in den drei vorigen Zeitaltern. Von Ruhe und Frieden ist nichts mehr übrig, sondern Misstrauen und Krieg beherrschen den Alltag.

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Metamorphosen

Die lykischen Bauern (Ov. met. VI 339-381) - Interpretation in zwei Versionen

Version I

 

Das Gedicht „Die Lykischen Bauern“ von Ovid lässt sich in seinen Metamorphosen wiederfinden. Das Metrum dieses Gedichtes ist das daktylische Hexameter. Wir beschäftigen uns mit den Versen 339-381 in Buch 6.
Das Gedicht handelt von der Göttin Latona, die auf der Flucht vor Jupiters Ehefrau Juno mit ihren beiden Kindern Apoll und Diana durch Lykien wandert. Wegen der Hitze bekommt sie schrecklichen Durst (siccata sitim collegit, 341), erblickt jedoch kurz darauf in einem Tal einen See (lacum, 343). Sie wandert hinunter und trifft auf die lykischen Bauern, die ihr das Trinken verbieten (orantem perstant prohibere, 361). Sie bittet, fleht (tamen supplex peto, 352) und verweist auf die Kinder (hi vos moveant, 358) und darauf, dass das Wasser für alle da ist (usus communis aquarum est, 349). Doch die Bauern fallen nicht von ihrem unmenschlichen Verhalten ab (quem non blanda deae potuissent verba movere?, 360), sondern steigern sich nur noch mehr in ihrer Boshaftigkeit (turbavere lacus, 364; saltu maligno, 365). Schließlich wird der Zorn der Göttin stärker als der Durst (distulit ira sitim, 366) und sie verwandelt die Bauern in schimpfende und fluchende Frösche. Dies ist der Höhepunkt, Wendepunkt und die eigentliche Metamorphose zugleich. Aus der scheinbar schwachen, hilflosen Frau wird die mächtige, rächende Göttin und aus den unmenschlichen Bauern werden Frösche. Während Latona ihr Verhalten und ihr Auftreten verändert, verändern die Bauern fast ausschließlich ihr Erscheinungsbild.
 
Das Gedicht lässt sich in drei Teile gliedern. Im 1. Abschnitt wird Latonas Verfassung und die Entdeckung des Sees beschrieben (Vers 339-345). Im 2. Teil bittet und fleht Latona die Bauern an sie trinken zu lassen (Vers 346-365) und der 3.Teil beginnt mit dem Wendepunkt und beschreibt dann das Verhalten der Frösche (Vers 366-381).
In Vers 376 baut Ovid mit „sub aqua, sub aqua“ eine Lautmalerei ein, da sich dies wie das Quaken der Frösche anhört.
Die Intention des Gedichtes ist, dass man mitfühlend, gastfreundlich und hilfsbereit allen Fremden gegenüber sein sollte, die in Not sind.

Anna Müller
10a (2007/08)

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Version II

 

In der Metamorphose „Die Lykischen Bauern“ (Ovid, Metamorphosen VI 339-381) erzählt Ovid von dem falschen Verhalten der lykischen Bauern im Umgang mit Fremden und davon, dass ein solcher Mangel an Respekt immer bestraft werden kann. Diese Metamorphose ist in daktylischen Hexametern verfasst und beinhaltet nicht nur die Lehre, das Gastrecht einzuhalten und jeden Fremden willkommen zu heißen, sondern auch einen, für die damalige Zeit erstaunlich detaillierten Bericht über das Verhalten von Fröschen.

In der folgenden Interpretation wird die Metamorphose in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil ist Latona mit ihren Kindern auf der Flucht vor Iuno und kommt schließlich an den Teich, an dem diese Metamorphose spielt, um ihren Durst zu stillen. Dieser erste Teil soll den Gemütszustand der flüchtenden Göttin vermitteln und ihr Handeln im späteren Verlauf nachvollziehbar machen. (340: longe dea fessa labore, 341: siccta sitim collegit, 343: lacum)
Im zweiten Teil jedoch verwehren ihr die Bauern das Wasser mit der Begründung, selbiges würde ihnen gehören (348:
rustica turba vetant), worauf die Göttin mit heftigem Bitten, sogar Flehen, beginnt (352: tamen supplex peto), indem sie erklärte, dass das Wasser ein allgemeiner Besitz sei (349: usus communis aquarum est, 351: ad pulica munera veni). Dieser Abschnitt zeigt, wie tief sich die Göttin herablässt, obwohl sie dies bei ihrer Macht niemals nötig hätte.
Als sie merkt, dass das nicht hilft, verweist sie auf ihre zwei kleinen Kinder als letzte Möglichkeit, die Herzen der Bauern zu erweichen, damit die Bauern wenigstens Mitleid mit ihnen haben sollten (358:
hi vos moveant), doch in diesem dritten und vorletzten Abschnitt zeigt sich, wie herzlos die Bauern sind (361: orantem perstant prohibere, 362: minas conviviaque addunt), da jeder andere Mensch spätestens jetzt besänftigt wäre.
Im vierten Teil steigern die Bauern ihre Bosheit ins unmenschliche und wühlen das Wasser durch Sprünge auf, so dass das Wasser nicht mehr zum Trinken geeignet ist (364:
Turbavere lacus, 365: saltu maligno). In diesem vierten und letzten Teil, der den Höhepunkt des Gedichts ausmacht, sind gleich zwei Metamorphosen enthalten: zum einen die der Latona, die sich an dieser Stelle von der ruhigen, von Durst geschwächten Mutter in eine zornige, furchteinflößende Göttin verwandelt (366: distulit ira sitim), zum anderen die der lykischen Bauern in Frösche. Letztere Verwandlung beschreibt Ovid sehr detailliert (372-374 :
nunc proferre caput, summo modo gurgite nare,  saepe super ripam stagni consistere, saepe in gelidos resilire lacus).
Doch auch sprachlich gesehen findet sich bei den Fröschen ein Wort- oder besser Lautspiel, das sich bei lautem Lesen wie das Quaken eines Frosches anhört und die Beschreibung der Verwandlung so noch abrunden soll (376:
sub aqua, sub aqua).

 Kevin Choudhury
 
10a (2007/08)

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Metamorphosen

Daedalus und Icarus (Ov. met. VIII 183-235) - Interpretation in vier Versionen

Version I

Das Werk „Daedalus und Icarus“ von Ovid ist in seinen Metamorphosen Buch VIII zu finden. Beschrieben sind hier die Verse 183-235. In diesem Abschnitt geht es um Daedalus und Icarus, die vom König Minos auf der Insel Kreta gefangen gehalten werden. Daedalus jedoch findet einen völlig neuen Weg, um von der Insel zu fliehen: Durch die Luft. Dazu baut er Flügel aus Federn, Wachs und Fäden. Bevor er sich mit seinem Sohn Icarus in die Luft erhebt, warnt er ihn vor den möglichen Gefahren. Er solle nicht zu hoch fliegen, denn sonst würde das Wachs schmelzen und auch nicht zu tief, da sonst die Federn von dem Wasser beschwert würden. Aber Icarus hält sich nicht an dessen Worte und fliegt so hoch, dass das Wachs schmilzt, er abstürzt und stirbt. Daedalus sucht ihn verzweifelt, findet ihn und begräbt ihn später.

Gliederung:

V. 183-185: Vorstellen der Situation V. 185-189: Entwickeln eines Plans (Flügel) zur Flucht V. 189-195: Detaillierte Beschreibung der Flügel V. 195-200: Begeisterung des Icarus für die Arbeit des Vaters V. 200-202: Fertigstellung der Flügel und erster Test V. 203-209: Daedalus warnt Icarus vor den Gefahren in der Luft V. 210-216: Väterliche Gefühle und Angst des Vaters um Icarus, wiederholte Mahnungen V. 217-220: Andere Menschen sehen sie fliegen und halten sie für Götter. V. 220-230: Nach längerer Zeit wird Icarus wagemutig, fliegt zu hoch und stürzt ab. V. 231-235: Daedalus sucht ihn, findet ihn, macht sich für dessen Tod verantwortlich und begräbt ihn.

 

In den Versen 185 bis 189 erfährt man mehr über Daedalus Plan, von der Insel zu fliehen. (Non possidet aera Minos ... ignotas ... artes naturamque novat ...) Diese Textstellen zeigen, dass Daedalus die von den Götter gegebenen Naturgesetze verändern will. Er entwickelt eine für die damalige Zeit undenkbare Möglichkeit. Von Vers 195-197 gibt Ovid dem Leser eine Hinweis auf das kommende Unglück, dass Icarus sterben wird. (Puer Icarus ... ignarus sua se tractare pericla ...) In den Versen 200-202 ist es dann soweit: Daedalus erster Flug mit den Flügeln gelingt. (... pependit in aura.) Dann jedoch, in den Versen 210-211, hat Daedalus eine böse Vorahnung und Angst um Icarus. (... genae maduere seniles, et patriae tremuere manus.) Es folgt ein zweiter Hinweis von Ovid, dass Icarus sterben wird, in den Versen 211-212 (Dedit oscula nato non iterum repetenda ...) Während ihres Fluges werden Daedalus und Icarus von anderen Menschen gesehen, welche diese daraufhin für Götter halten (Hos aliquis...credidit esse deos.), was wiederum bedeutet, dass Götter auch fliegen können. Die Frage, die darauf wohl folgt, ist: Dulden es die Götter, wenn Menschen für Götter gehalten werden? Die eine Antwort könnte „Nein“ sein, was eine Bestrafung seitens der Götter mit sich ziehen könnte. Nachdem Daedalus und Icarus schon eine lange Strecke geflogen sind (V. 220-225: Iunonia ... Samos ... Delosque ... Palosque), fliegt Icarus aus Wagemut höher (...cum puer audaci coepit gaudere).

Es gibt hier also zwei Interpretationsansätze der Metamorphose.

Der eine ist die Bestrafung des Daedalus durch die Götter, da Daedalus deren Naturgesetze verändert hat und er und sein Sohn für Götter gehalten wurden. Daedalus glaubte, dass er am Tod seines Sohnes schuld gewesen sei und warf sich das wahrscheinlich sein restliches Leben lang vor. (V. 234: ... devovitque suas artes ...)

Der zweite Ansatz ist die Dummheit des Icarus, weil er zu wagemutig war und nicht die Mahnungen seines Vaters befolgt hat. Er hat mit dem Feuer gespielt und hat die Konsequenzen (seinen Tod) davon getragen.


Daedalus und Icarus (Ov. met. VIII 183-235) - Interpretation

Version II

In Ovids Werk „Daedalus und Ikarus“ aus seinen „Metamorphoses“ schildert er deren verzweifelten Versuch, von Kreta zu fliehen.

Das Werk kann man in drei Teile unterteilen:

Im ersten Teil wird berichtet, wie Daedalus und sein Sohn auf Kreta festsitzen und wie der Vater auf die Idee kommt, durch die Luft zu fliehen. Im zweiten Teil beschreibt Ovid die Fertigstellung der Flügel und die Instruierung des Jungen Ikarus. Daraufhin beginnen sie mit ihrer Flucht durch die Luft. Im dritten Teil wird Ikarus übermütig und nähert sich der Sonne, woraufhin das Wachs, das seine Flügel zusammenhält, schmilzt und er ins Meer stürzt. Daedalus verflucht seine Erfindungen und beerdigt seinen Sohn auf der Insel, die später Icaria heißen soll.

 

Auf das Verderbliche von Daedalus Erfindung wird schon vorher hingewiesen, da er die Gesetze der Natur ändert (V. 7 naturam novat). Dadurch, dass er den Menschen ermöglicht, nun auch zu fliegen, erkundet er ein völlig neues Gebiet, was allerdings auch nicht für den Menschen vorgesehen ist. Durch diese Anmaßung zieht er den Zorn und die daraus folgende Strafe der Götter auf sich, auch da sie sich, zu dem Zeitpunkt, als sie in der Luft sind, als Götter fühlen und auch als diese gesehen werden -> V. 36: (...) aut pastor baculo stivave innixus arator vidit et obstipuit, quique aethera carpere possent, credidit esse deos.

Schon im zweiten Teil weist Ovid mit dunklen Vorhersagungen auf das tragische Schicksal des Jungen hin, z. B. in V. 14: ignarus sua se tractara pericla. So sagt Ovid zum Beispiel auch, dass der Vater dem Sohn „Küsse gibt, die sich nicht wiederholen sollen“, womit er erneut das nahe Ende des Jungen andeutet. Er lenkt somit den Leser sofort in eine direkte Richtung und lässt diesen durch eben solche Erwähnungen schon ein dramatisches Ende erwarten.


Daedalus und Icarus (Ov. met. VIII 183-235) - Interpretation

Version III

Ovid schreibt in der Metamorphose „Daedalus und Icarus“ im VIII. Buch Verse 183-235 über eine Familientragödie.

Daedalus war mit seinem Sohn Icarus auf die Insel Kreta, auf der Minos als Tyrann herrschte, verbannt worden. Daedalus litt sehr darunter, da er Heimweh nach seinem Geburtsort hatte (Verse 183-185). So beschloss er eines Tages durch den Himmel zu fliehen (Verse 185-186). Um diese Tat vorzubereiten; veränderte er die Naturgesetze, indem er sich Flügel aus Federn und Wachs baute und mit diesen flog. Auch baute er für Icarus Flügel. Beide flohen von der Insel, nachdem der Vater Icarus das Fliegen gelehrt hatte. Auf ihrer Flucht wurden sie von „normalen“ Menschen gesehen, die die beiden für Götter hielten, da sie fliegen konnten. Doch mitten in der Luft wurde Icarus übermütig und kam der Sonne zu nah. Das Wachs, das die Flügel zusammengehalten hatte, schmolz und Icarus stürzte in das Meer, das heute seinen Namen trägt, und starb.

Diese Metamorphose gliedert sich in drei Teile:

1. Teil: von Vers 183-202; Flügelbau und die damit verbundene Änderung der Naturgesetze

2. Teil: von Vers 203-230; Warnung des Icarus durch Daedalus, Flucht, Absturz des Icarus

3. Teil: von Vers 231-235; Trauer des Daedalus um seinen Sohn Icarus; Verfluchung der Künste.

Diese drei Teile haben alle einen Zusammenhang mit dem Wort „ars“ (Kunst/Wissenschaft). Dieses Wort taucht in jedem Teil der Gliederung in einem anderen Zusammenhang auf. Im ersten Teil sind es die „ignotas artes“ die unbekannten Künste. Hier werden die Künste noch als unbekannt angegeben, da Daedalus der erste Mensch war, der versuchte zu fliegen bzw. sich Flügel zu bauen. Im zweiten Teil sind es die „damnosas artes“ also die schädlichen Künste. Und im dritten Teil sind es dann die „devovitae artes“ die verfluchten Künste, da Daedalus durch diese seinen Sohn verloren hat. In diesem Gedicht findet sich auch ein Vergleich, nämlich der, dass Daedalus „nur“ die Vögel nachgeahmt hat und sich nicht in solche verwandelt hat (was üblicherweise in Metamorphose passiert [also eine Verwandlung]).

Daedalus setzt sich mit seinem Flügelbau, den er den Vögeln nachempfunden hat, hochmütig über Minos aber auch über die Götter hinweg. Er verändert die Naturgesetze, etwas was sonst nur die Götter tun können und „lernt“ zu fliegen. Natürlich werden Icarus und er bei ihrem Flug gesehen und diese Menschen, die sie gesehen haben, hielten Daedalus und Icarus für Götter. Somit setzt Daedalus sich selbst, aber er wurde auch von anderen, mit den Göttern gleich. Wegen dieses Übermuts des Daedalus, strafen ihn die Götter. Und das wusste er von dem Moment an, als er anfing die Flügel zu bauen. Diese Strafe wird an zwei Stellen von dem Dichter angedeutet. Einmal in Vers 196 als Icarus mit dem Wachs und den Federn, also mit seinem Tod, spielt und das zweite mal, als Daedalus Icarus wie zum Abschied küsst. Denn in Vers 221-212 schreibt Ovid, dass diese Küsse sich nie mehr wiederholen werden. Dieses sind epische Vorausdeutungen des Dichters. Noch hinzu kommt, dass Daedalus die Gabe, sonderbare Dinge zu bauen, sich selbst zuschreibt und in keiner Weise den Göttern dankt. Durch die lange wörtliche Rede ab Vers 203, als Daedalus den Icarus ermahnt, wird eine Eindringlichkeit erzeugt. Diese eindringlichen Ermahnungen zeigen, dass sich Daedalus der Gefahr des Fliegens bewusst ist. Ovid hat die Metamorphose auch als eine Geschichte mit Moral geschrieben. Diese Moral besagt, dass Kinder auf ihre Eltern hören sollen. Hinzu kommt noch, dass Ovid sich eventuell selber eine Warnung geschrieben hat. Eine Warnung in dem Sinne, dass er den Göttern dankbar sein muss, da diese ihm die Gabe zu schreiben geschenkt haben. Und nicht wie Daedalus sich mit den Göttern auf eine Stufe stellen, denn das, das wusste Ovid, geht immer auf Kosten des Sterblichen.

Gesamtinterpretation von "Daedalus und Icarus"

In dieser Geschichte werden zwei Charaktere beschrieben: einmal Daedalus und einmal Icarus. Daedalus hat eine übergeordnete und lichte/freundliche Stellung, denn er ist der Vater von Icarus und zeigt ihm Dinge, wie sie zu machen sind. Damit hat er zwei wichtige Charaktereigenschaften, denn eine Seite von ihm ist auch „böse“. Er stammt aus Athen und wurde nach Kreta verbannt, weil er seinen Neffen, der im Begriff war, ihn an Kunstfertigkeit zu übertreffen, aus Neid getötet hatte. Diese Geschichte von seinem menschlichen Versagen folgt in den Metamorphosen allerdings erst nach dem unglücklichen Ende seines Sohnes Icarus.

In der eigentlichen Geschichte, über die diese Interpretation handelt, gelingt es Daedalus, Flügel nach Vogelart für sich und seinen Sohn herzustellen, um sich mit ihrer Hilfe in die Luft zu erheben und aus Kreta über das Meer zu fliehen. In Vers 201 wird er OPIFEX genannt und damit wird ein Vergleich zum Schöpfer der Welt und des Menschen gesetzt. Ovid will in Daedalus den vollkommenen Typen des Menschen als ein Abbild des Schöpfergottes darstellen. Denn nach Ovids Schöpfungsbericht wird der Mensch durch die drei Zeitalter verändert und zu einem „Arbeitstier“. Der Mensch besitzt Erkenntnis, die ihn befähigt, Neues zu schaffen und so nach Gott ein zweiter Schöpfer (naturamque novat) zu sein. Der Flug über das Meer ist ein Bild (ist eine Metapher), die für andere schwer zu bewältigende Aufgaben im Leben steht. Es kann nur gelingen, wenn der Mensch sich an die Gesetze hält, die der Schöpfer der Natur und ihm selbst gesetzt hat. Weicht er davon ab, verliert er das sittliche Gleichgewicht, stürzt ab oder nimmt schweren Schaden. Indem Daedalus seinem Sohn Lehren erteilt, tritt er gleichsam an die Stelle des Schöpfergottes. Der Sohn hingegen wird zum Bild des unerfahrenen Menschen, der sich um die Gesetze nicht oder zu wenig kümmert. Er erfreut sich der Schöpfungswerke und wendet sie an, ohne sich über Herkunft, Wesen und Wirkweise genügend Rechenschaft zu geben. Daedalus ist Vorbild für die Verpflichtung des Menschen, gemäß seiner abbildhaften Natur wie Gott zu denken und zu handeln. Icarus beachtet nicht die Weisungen des Vaters und stürzt ab. Der unglückliche Vater ruft vergeblich nach ihm und verwünscht seine Künste. In diesen beiden Vorgängen zeigt sich sowohl eine göttlich-vollkommene als auch eine menschlich-unvollkommene Seite des Daedalus. Auch Gott empfindet Schmerz über das Scheitern eines Menschen. Die Schuld dafür trägt der Mensch jedoch selbst, da er sich nicht an die Gesetze, Weisungen und Ratschläge Gottes gehalten hat. Die menschliche Seite des Daedalus zeigt sich darin, dass er das zu junge Alter seines Sohnes nicht bedacht hat. Daedalus hat seinem erfinderischen Ehrgeiz zu früh nachgegeben. In einer wichtigen menschlichen Beziehung hat er das richtige Maß nicht beachtet. Am Ende der ersten Hälfte seiner Metamorphosen blickt Ovid zurück auf die Erschaffung des Menschen und zieht Bilanz, indem er sowohl die Größe als auch die sittliche Gefährdung des Menschen bedenkt.


Daedalus und Icarus (Ov. met. VIII 183-235) - Interpretation

Version IV

Daedalus hat zwei charakterliche Seiten, eine dunkle und eine lichte. Er stammte aus Athen und wurde nach Kreta verbannt, weil er seinen Neffen, der im Begriff war, ihn an Kunstfertigkeit zu übertreffen, aus Neid getötet hatte. Diese Geschichte von seinem menschlichen Versagen folgt in den Metamorphosen allerdings erst nach dem unglücklichen Ende seines Sohnes Ikarus. In der eigentlichen Geschichte gelingt es Daedalus, Flügel nach Vogelart für sich und seinen Sohn herzustellen, um sich mit ihrer Hilfe in die Luft zu erheben und aus Kreta über das Meer zu fliehen. In Vers 201 wird er OPIFEX genannt und damit in Analogie zum Schöpfer der Welt und des Menschen gesetzt. Ovid will in Daedalus den Archetypus des Menschen als ein vollkommenes Abbild des Schöpfergottes darstellen. Der Mensch besitzt Erkenntnis, die ihn befähigt, Neues zu schaffen und so nach Gott ein zweiter Schöpfer (naturamque novat) zu sein. Der Flug über das Meer ist ein Bild (ist eine Metapher) die für andere schwer zu bewältigende Aufgaben im Leben steht. Es kann nur gelingen, wenn der Mensch sich an die Gesetze hält, die der Schöpfer der Natur und ihm selbst gesetzt hat. Weicht er davon ab, verliert er das sittliche Gleichgewicht, stürzt ab oder nimmt schweren Schaden. Indem Daedalus seinem Sohn Lehren erteilt, tritt er gleichsam an die Stelle des Schöpfergottes. Der Sohn hingegen wird zum Bild des unerfahrenen Menschen, der sich um die Gesetze, die sein Leben im Gleichgewicht halten, nicht oder zu wenig kümmert. Er erfreut sich der Schöpfungswerke und wendet sie an, ohne sich über Herkunft, Wesen und Wirkweise genügend Rechenschaft zu geben. Dädalus ist Vorbild für die Verpflichtung des Menschen, gemäß seiner abbildhaften Natur wie Gott zu denken und zu handeln. Denn in der Betrachtung der Werke Gottes erkennt der Mensch sein Nichts einerseits und seine erhabene Berufung zur Teilhabe an Gottes Erkenntnis und Schöpferkraft andererseits. Ikarus beachtet nicht die Weisungen des Vaters und stürzt ab. Der unglückliche Vater ruft vergeblich nach ihm und verwünscht seine Künste. In diesen beiden Vorgängen zeigt sich sowohl eine göttlich-vollkommene als auch eine menschlich-unvollkommene Seite des Daedalus. Auch Gott empfindet Schmerz über das Scheitern eines Menschen. Die Schuld dafür trägt der Mensch jedoch selbst, da er sich nicht an die Gesetze, Weisungen und Ratschläge Gottes gehalten hat. Die menschliche Seite des Daedalus zeigt sich darin, dass er das zu junge Alter seines Sohnes nicht bedacht hat. Daedalus hat seinem erfinderischen Ehrgeiz zu früh nachgegeben. In einer wichtigen menschlichen Beziehung hat er das richtige Maß nicht beachtet. In Daedalus schließlich schafft Ovid sich ein Idealbild seines eigenen dichterischen Wirkens. Wenn Ovid alle seine Verse nach Zahl und Maß genau berechnet und geordnet hat, so hat ihn die Sage von Daedalus und Ikarus zu einem besonders vollkommenen Werk angetrieben. Wenn sich Ovid aber mit Daedalus identifiziert, sollte man den Ausdruck devovitque suas artes (V. 52) in seiner Doppeldeutigkeit sehen. In positiver Hinsicht heißt die Übersetzung: und er weihte seine Künste den Göttern. Von der Sicht des Daedalus würde dies bedeuten, dass er seine Flugapparate ohne demütige Übereinstimmung mit dem Willen der Götter angefertigt hat. Er hat eigenmächtig gehandelt, seine Künste seinen eigenen Fähigkeiten zugeschrieben und sie nicht dankbar als ein Geschenk der Götter ausgeübt. Er bereut sein Fehlverhalten und empfiehlt sich aufs neue den Göttern. Ovid schließt sich gewissermaßen Daedalus an, indem er sich dessen Beispiel eine Warnung sein lässt, dass er in seinem dichterischen Tun und seiner Lebensführung nicht überheblich wird. Leider ist ihm das Unglück der Verbannung nicht erspart geblieben. Am Ende der ersten Hälfte seiner Metamorphosen blickt Ovid zurück auf die Erschaffung des Menschen und zieht Bilanz, indem er sowohl die Größe als auch die sittliche Gefährdung des Menschen bedenkt.


Metamorphosen

Orpheus und Eurydike (Ov. Met. X 1-77) - Interpretation

 Version I

Das Gedicht Orpheus und Eurydice von Ovid, welches man im zehnten Buch seiner „Metamorphosen“ findet, wurde ca. 8 n. Chr. geschrieben. Das Gedicht hat das Metrum eines daktylischen Hexameters, es ist 77 Verse lang und handelt von Liebe, Trauer und Tod. Ovid hat dieses Gedicht für die gebildeten römischen Bürger und, wie die meisten Autoren dieser Zeit es taten, für die Nachwelt geschrieben.

Der Text lässt sich in drei Sinnabschnitte gliedern. Im ersten wird beschrieben, dass Eurydice, die kurz vorher Orpheus geheiratet hatte, durch einen Schlangenbiss in ihren Fuß ums Leben kommt.

 Der zweite Sinnabschnitt lässt sich beim Ortswechsel von der Ober- in die Unterwelt (in die Orpheus geht, um Eurydice „zurückzuholen“) festsetzen (V. 13: ad Styga Taenaria est ausus descendere porta). Hier singt Orpheus zum Gott der Unterwelt und dessen Frau, Pluto und Persephone. Es versucht sie dazu zu bewegen, Eurydice wieder zum Leben zu erwecken. Dazu benutzt er seinen Gesang, der selbst die auf ewig Verdammten kurz von ihren Qualen erlösen kann. Außerdem spielt er auf den Raub der Persephone an, die Pluto aus Liebe zu sich in die Unterwelt entführt hatte. Pluto willigt unter der Bedingung ein, dass sich Orpheus auf dem Weg zurück zur Oberwelt nicht umsieht. Auf dem Weg nach oben hört er immer ihre Schritte hinter sich, bis sie, kurz vor dem Rand zur Oberwelt, plötzlich verstummen. Aus Angst, sie könne ermatten und aus dem Verlangen sie zu sehen, dreht er sich um und Eurydice sinkt in die Unterwelt zurück.

Der dritte Sinnabschnitt beginnt beim Ortswechsel von der Unter- zurück auf die Oberwelt (V. 72: Orantem frustraque iterum transire volentem portitor arcuerat). Hier geht es darum, dass Orpheus erneut versucht, in die Unterwelt zu gelangen, der Fährmann ihn aber nicht durchlässt. Daraufhin geht Orpheus ins Rhodopegebirge und trauert um Eurydice.

Die Hauptthemen des Gedichtes (Liebe, Trauer und Tod) werden an mehreren Stellen deutlich hervorgehoben. Die Liebe erkennt man besonders an Stellen wie Hymenaeus (V. 2), dem Hochzeitsgott, vicit Amor (V. 26), dem Gott der Liebe oder flexit amans oculos (V. 57), die Trauer an Stellen, wie lacrimoso stridula fumo (V. 6) oder cura dolorque animi lacrimaeque alimenta fuere (V. 75). Beispiele für den Tod sind in talum serpentis dente recepto (V. 10) und et protinus illa relapsa est (V. 57), welche den ersten und den zweiten Tod der Eurydice beschreiben. Der Text soll ausdrücken, dass sowohl der Tod, als auch die Liebe unüberwindbare Kräfte sind. Dies wird an folgenden Stellen deutlich: Haec quoque (…) iuris erit vestri (V. 36/37), wo beschrieben wird, dass Eurydice früher oder später sowieso in die Unterwelt zurückkehren (sterben) wird und flexit amans oculos (V. 57), wo beschrieben wird, dass Orpheus durch die Liebe gar nicht anders kann, als sich umzusehen, auch wenn Eurydice dadurch wieder in die Unterwelt zurückfällt.

 Patrick Teubner
10 b (2007/08)


Orpheus und Eurydike - Interpretation

Version II

 

Das Gedicht „Orpheus und Eurydice“, von Ovid, ist in dessen Metamorphosen eingebettet. In 77 Versen erzählt er im Metrum des daktylischen Hexameters den griechischen Mythos von Orpheus, dem Sohn der Muse Kalliope, der nach dem Tod seiner Gattin, Eurydice, versucht, diese aus dem Reich der Toten, der Unterwelt, zu befreien.

Das Gedicht lässt sich in vier Sinnabschnitte einteilen. Im ersten Abschnitt (V. 1-17) erfährt der Leser vom Tod der Nymphe Eurydice und dem Vorhaben des Orpheus, sie aus der Unterwelt zurückzuholen.

Der folgende Abschnitt (V. 18-50) handelt von Orpheus’ Bittgesang, Eurydice freizulassen. Durch die Worte von Orpheus gerührt, gestattet ihm Pluto, der Herrscher der Unterwelt, Eurydice in die Oberwelt mitzunehmen, jedoch unter der Bedingung, sich auf dem Weg dorthin nicht nach ihr umzuschauen.

Im dritten Teil (V. 51-72) geht es um den gescheiterten Versuch des Orpheus, Eurydice unter der gestellten Bedingung zu befreien.

Der letzte Abschnitt (V. 72-77) handelt davon, dass sich Orpheus in Trauer auf das Rhodopegebirge zurückzieht.

 

Auffallend ist, dass die Unterwelt insgesamt einen düsteren, furchteinflößenden Eindruck macht, was nicht zuletzt an der Finsternis (opaca Tartara, V. 20), der ungeheuren Leere (Chaos [ …] ingens, V. 30) und den Bewohnern der Unterwelt, den blutleeren Seelen (exsangues animae, V.41), den Medusen (Meduasi monstri, V.22) und Kerberos liegt. Um hervorzuheben, dass die Unterwelt ein Ort voll des Schreckens sei (loca plena timoris), bedient sich Ovid der Anapher per […] loca plena timoris, per Chaos hoc ingens […], (V.29). An diesem Ort des Schreckens gelingt es Orpheus wegen seines musikalischen Geschicks, nicht nur die blutleeren Seelen, sondern auch Pluto und dessen Ehefrau, Persephone, zu bewegen(exsangues flebant animae, V.41; nec regia coniunx sustinet oranti, nec qui regit ima, V.47). Darüber hinaus schafft Orpheus es, das „Rad des Ixion“ zum Stillstand zu bringen und die Arbeit des Sisyphus zu unterbrechen, Ereignisse, die nach griechischer Sage unmöglich sind. Hiermit wird die Begabung von Orpheus, mit seinem Gesang zu überzeugen, hervorgehoben.

Aufgrund der Leitmotive Liebe, Trauer (deflevit, V.12), Schmerz (dolor) und Tod ergibt sich die Hypothese, dass Tod und Liebe unüberwindbare Kräfte sind. Der Tod als unüberwindbare Kraft wird deutlich aus der Argumentation von Orpheus, der sagt, dass Eurydice wieder in die Unterwelt zurückkehre, da sie sterblich ist (Haec quoque, cum iustos matura peregerit annos iurit erit vestri, V.36). Die Liebe als unüberwindbare Kraft wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass Orpheus sich auf den Weg gemacht hat, Eurydice zu befreien (Amor vicit, V.26). Ferner blickt Orpheus liebend zurück (flexit amans oculos, V. 57), wodurch diese These ebenfalls untermauert wird.

Letztlich stellt Orpheus die Liebe über den Tod, indem er sagt, dass er im Reich der Toten bleiben werde, wenn er Eurydice nicht zurückbekomme, womit er verdeutlicht, dass er um seiner Liebe willen bereit ist, auf sein weiteres Leben zu verzichten.

10 b (2007/08)